St. Jost, ein Wallfahrtsort im stillen Nitztal
„Heiliger Jodokus, zu Dir kommen wir, Deine Fürbitte begehren wir“, so beten die Pilgerinnen und Pilger wenn sie im Herbst in die Wallfahrtskapelle im Nitztal einziehen um den hl. Jodokus zu verehren und ihm ihre Anliegen und Sorgen an zu vertrauen.
Anschließend gehen die Wallfahrer den 3 Kilometer langen Weg bergauf nach Langenfeld, wo sie von der Blaskapelle begleitet in den „Eifeldom“ einziehen und dort den Pilgersegen empfangen.
Am Abend versammeln sich noch einmal alle Wallfahrer in der Pfarrkirche zum feierlichen Pilgergottesdienst, der mit einer Sakramentsprozession in der Kirche mit den Fahnen- und Kreuzträgern, den Brudermeistern und den Jubilaren seinen Ausklang findet. Am frühen Sonntagmorgen treten die Pilger den Heimweg wieder an. So war es früher Brauch, während heute die meisten Jodokus-Verehrer nach dem Abendgottesdienst im PKW oder Bus die Heimreise antreten.
Am Sonntagnachmittag geht eine Prozession von Langenfeld nach St Jost, weitere Prozessionen aus den umliegenden Pfarreien treffen aus allen Himmelsrichtungen kommend ein. Die Pilger versammeln sich auf der Wiese vor dem Freialtar zur Andacht mit Predigt. Danach erteilt der Pfarrer in der Wallfahrtskapelle den Pilgersegen mit der Reliquie des hl. Jodokus.
Die Wallfahrtskapelle in St. Jost ist ein verputzter Bruchsteinbau mit einem hochgotischen Chor und einem Langhaus mit einem später angebauten barockem Seitenschiff.
Blickfang in der Kapelle ist der barocke Hochaltar aus dem Jahr 1655, der mit Reliefs und Figuren in schlichter bäuerlicher Handwerkskunst geschmückt ist. Übereinander angeordnet sind die Reliefs mit Mariä Verkündigung (Predella), darüber die Anbetung der Hirten und im weiteren Aufbau die Anbetung der hl. Könige. Seitlich stehen die Figuren des hl. Jodokus in Pilgertracht, des hl. Quirinus (Kirchenpatron in der Pfarrkirche in Langenfeld), darüber die hl. Katharina und die hl. Luzia. In der Bekrönung des Altares ist St. Georg zu Pferd dargestellt. An der Südseite des Chorraumes befindet sich auf einer Konsole eine weitereFigur des hl. Jodokus aus dem 18. Jahrhundert.
Die Kapelle in St. Jost wird erstmals 1436 und dann 1464 in einer Urkunde erwähnt. Der Sage nach sollte sie am Fuß des Burgberges im nahe gelegenen Virneburg von einem Grafen aus Dank für eine glückliche Heimkehr von einem Kreuzzug erbaut werden. Da schwemmte nach einem schweren Gewitter die über die Ufer getretene Nitz das Baumaterial weg .Auf der Suche nach den Resten fand man zwei Kilometer nitzabwärts alle Teile wie von Menschenhand gelagert. Der Graf sah darin einen Wink des Himmels und befahl, die Kapelle an diesem Ort zu bauen.
Die über 400 Jahre alte Geschichte der St.-Jost-Wallfahrt ist sehr wechselvoll. 1616 berichtet der Langenfelder Pfarrer W. Bremer, dass viele Wallfahrer nach St Jost kommen „de votionis causa“ (in frommer Andacht). Pfarrer M. Cullener (1682-1715) gab der Wallfahrt durch die Herausgabe einer ersten Werbe- und Gebetsschrift einen neuen Auftrieb, Papst Clemens XI. gewährte 1702 den St.-Jost-Pilgern sogar einen Ablass.
Aber das Aufleben der Wallfahrt zeigte auch bald seine Schattenseiten. Krämer und Händler bauten ihre Stände auf, es wurde zum Tanz aufgespielt, Streitigkeiten und Schlägereien mit tödlichem Ausgang waren zu vermelden.
Mit der französischen Invasion (Napoleon) endete der Wallfahrtsbetrieb abrupt. 1803 wurde die Schließung der Kapelle angeordnet. Die neben der Kapelle ansässige Müllersfamilie übernahm das Gebäude und nutzte es landwirtschaftlich. Der Müller erwarb 1821 die Kapelle käuflich.
Doch die Zeiten änderten sich; nach und nach trafen wieder Pilger in St. Jost ein. Schließlich kam es wegen der Kapelle zu einem Rechtsstreit zwischen der Müllersfamilie und dem Kirchenvorstand. 1839 wurde die Kapelle der Pfarrgemeinde Langenfeld zugesprochen und fortan konnten dort wieder Gottesdienste gefeiert werden. Schnell entwickelte sich die Wallfahrt wieder. 1894 wurde die Zahl der Pilger mit 12 – 15.000 angegeben. Die beiden Glocken der Kapelle tragen die Jahreszahlen 1831 (kleine Glocke) und 1884 (große Glocke).
In unserer Zeit, in der die Zahl der Kirchenbesucher rapide gesunken ist, bleibt die Zahl der St.-Jost-Pilger erfreulicherweise konstant. Die Prozessionen kommen wie eh und je aus der näheren und weiteren Umgebung, von der Ahr, aus dem Bistum Aachen, von dies- und jenseits des Rheins und von der Mosel. Aus rund 50 Orten kommen Prozessionen nach St. Jost.
Diese Tatsache zeigt, dass in einer Zeit, in der die Technik und das materielle Denken einen hohen Stellenwert haben, der Glaube im Leben vieler Menschen ein Festpunkt ist, der ihnen Hoffnung, Mut und innere Kraft gibt, der ihnen hilft, ein sinnvolles und erfülltes Leben zu führen.
In den 80er Jahren war die Wallfahrtskapelle durch aufsteigende Nässe in einem baulich schlechten Zustand. Eine äußere und innere Renovierung war unumgänglich, sollte das Gotteshaus nicht zerfallen.
Mit großem finanziellem Aufwand wurde zunächst die Trockenlegung vorgenommen und der Außenputz erneuert.
1992 wurde der „Förderverein Wallfahrtskapelle St. Jost“ gegründet. Durch vielfältige Aktionen des Vereins konnte die Innenrenovierung finanziell gesichert werden. Dabei ging man von der Devise aus, die Kapelle wieder in ihren ursprünglichen Zustand zu versetzen. Ende der 90er Jahre waren die Arbeiten abgeschlossen. Die Gesamtkosten der baulichen Maßnahmen betrugen rd. 450.000 DM.
Die Wallfahrtskapelle erstrahlt wieder als Kleinod. Sie ist ein Zeugnis des tiefen Glaubens und der hervorragenden künstlerischen und handwerklichen Fähigkeiten unserer Vorfahren. Der Förderverein finanziert auch weiterhin Maßnahmen zur Erhaltung und Aufwertung der Kapelle (Stromanschluss, Sitzkissen, neue Lampen, Bau des neuen Freialtares, Restaurierung der Jodokusfigur u.a.m.).
Fotos: Sylke Wintrich